- Nahrungsmittelallergien nehmen bei Kindern zu: Anaphylaxiegefährdete Kinder sollten in Schulen und Kitas besser versorgt werden
- Die sofortige intramuskuläre Applikation von Adrenalin ist das Mittel der Wahl im anaphylaktischen Notfall – der Adrenalin-Autoinjektor (AAI) kann dies gewährleisten
- Haftungsbedenken Dritter gegenüber dem Einsatz eines AAIs sind unbegründet
- Mehr Aufklärung und Trainings in Schulen und Kitas sind geboten
Bad Homburg v. d. Höhe, 20. November 2024 — Am Donnerstag, den 21. November 2024 ruft die European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) den ersten Welttag zur Aufklärung über Anaphylaxie aus.1 Neuesten Erkenntnissen zufolge nehmen Nahrungsmittelallergien bei Kindern zu.2 3 Gleichwohl ist die Versorgungssituation insbesondere von pädiatrischen Anaphylaxie-Patient:innen unzureichend. Nicht jedes Kind erhält im Akutfall umgehend das First-Line-Therapeutikum Adrenalin. Speziell in Kitas und Schulen sind Verbesserungen dringend nötig. Das erklärten Expert:innen beim Mittagssymposium „Versorgung von Kindern mit schweren Allergien/Anaphylaxien in Schulen und Kitas“ von Viatris im Rahmen des 19. Deutschen Allergiekongresses (DAK) in Dresden. Prof. Dr. Margitta Worm, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie und Leiterin der Allergologie und Immunologie, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, erläuterte: „Im Fall einer akuten Anaphylaxie ist die unverzügliche Gabe des Notfallmedikaments Adrenalin das Mittel der Wahl.“ Dafür stehen auch Adrenalin-Autoinjektoren (AAI) zur Selbstbehandlung wie zum Beispiel der Fastjekt® oder Fastjekt® Junior (speziell für Kinder zwischen 7,5 und 25 kg Körpergewicht)4 zur Verfügung.
Nahrungsmittel sind die häufigsten Anaphylaxie-Auslöser bei Kindern
Allergische Erkrankungen treten in der Bevölkerung immer häufiger auf und damit auch anaphylaktische Reaktionen5 – sogenannte Maximalvarianten einer allergischen Sofortreaktion.6 7 8 „Insbesondere die Häufigkeit der nahrungsmittelinduzierten Anaphylaxien steigt an. Nahrungsmittelallergien sind bei Kindern mit 70 % die häufigsten Auslöser schwerer allergischer beziehungsweise anaphylaktischer Reaktionen“, erklärte Worm. Hierbei verwies sie auf Daten aus dem Anaphylaxie-Register.9 Die ersten fünf Plätze unter den anaphylaxieauslösenden Nahrungsmitteln – gemäß ihrer relativen Häufigkeit – belegen Erdnüsse, Kuhmilch, Cashew-Kerne, Hühnereiweiß und Haselnüsse.2 (siehe primäre Abbildung/Abbildung 1) Real-Life-Daten weisen darauf hin, dass anaphylaktische Reaktionen nicht selten wiederholt auftreten, dies ist insbesondere bei nahrungsmittelinduzierten Anaphylaxien zu beobachten. „Bei Erdnüssen kam es bei fast 50 % der Fälle zu wiederkehrenden anaphylaktischen Reaktionen, bei Weizen lag die Rate sogar bei 70 %. Gerade junge Kinder mit multiplen Allergien oder mit Allergien gegen Grundnahrungsmittel wie zum Beispiel Milch müssen im Blick behalten werden“, betonte Britta Stöcker, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Praxis für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Bonn.
Bei einer Anaphylaxie erfolgt oft zu zögerlicher Einsatz von Adrenalin
Laut Registerdaten habe sich die Situation der Adrenalingabe im Jahr 2023 insgesamt verbessert, so Worm, aber lediglich etwas mehr als die Hälfte der akuten Anaphylaxie-Fälle wurden professionell durch medizinisches Fachpersonal leitliniengerecht mit intramuskulär, intravenös oder inhalativ appliziertem Adrenalin behandelt.3 Eine Selbstbehandlung mit AAIs erfolgte in circa 27 % der Fälle.9 „Der Einsatz von Adrenalin ist abhängig vom Schweregrad der allergischen Reaktion – so auch bei pädiatrischen Patientinnen und Patienten mit nahrungsmittelinduzierten Anaphylaxien. Eine anaphylaktische Reaktion kann sich schnell entwickeln und rasch verschlechtern“, betont Sabine Schnadt, Oecotrophologin, Deutscher Allergie- und Asthma-Bund (DAAB), Mönchengladbach. „Gerade für Kitas oder Schulen kann es sein, dass zu viel Zeit vergeht, bis der Notarzt oder die Notärztin eintrifft, wenn von Betreuungskräften nur der Notruf 112 gewählt wird. Zudem wirken die Medikamente besser, je eher sie verabreicht werden. Daher ist ein betroffenes Kind auf die Medikamentengabe als lebensrettende Erste-Hilfe-Maßnahme des Kita- bzw. Schulpersonals dringend angewiesen.”
Mit gezielter Aufklärung adäquate Versorgung und Teilhabe stärken
Ergebnisse einer Befragung der Länderministerien durch den DAAB weisen darauf hin, dass das Bewusstsein und die Kenntnisse zum Thema Anaphylaxie insgesamt zugenommen haben.10 Allerdings sind sie noch ausbaufähig. „Oberstes Ziel ist die uneingeschränkte und flächendeckende Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in Kitas und Schulen. Dafür sind neben verpflichtenden Verpflegungsangeboten für Kinder mit Nahrungsmittelallergien auch einheitlich und konkret formulierte rechtliche Rahmenbedingungen für die Verabreichung von Notfallmedikamenten im Anaphylaxie-Fall sowie Aufklärung und Schulungsmaßnahmen für Betreuungskräfte erforderlich“, betonte Schnadt. Stöcker ergänzte: „In Deutschland haben alle Kinder einen Rechtsanspruch auf den Besuch einer Kinderbetreuungsstätte. Wir stellen jedoch fest, dass Kinder mit Allergien immer wieder von Kitas abgelehnt werden.“ Stöcker und Schnadt waren sich einig: „Es ist wichtig, mit den Einrichtungen auf einer sachlich-kooperativen und verständnisvollen Ebene zusammenzuarbeiten. Nur so kann die Situation von Kindern mit Allergien verbessert werden. Generell sollte die Aufklärungsarbeit ausgeweitet werden. Das Personal sollte konkrete Schulungsangebote beziehungsweise Trainings und weiterführende Hilfen erhalten. Hierzu gehören zum Beispiel Angebote von Patient:innenorganisationen wie dem DAAB und Schulungsprogrammen wie AGATE (siehe Informationskasten) sowie das Ausstellen von Anaphylaxie-Notfallplänen“.
Einsatz von Adrenalin-Autoinjektoren ist Erste-Hilfe-Leistung
Oft sind Mitarbeitende in Kitas und Schulen verunsichert und kennen die Rechtslage nicht, was eine Hürde für die Adrenalingabe mittels AAI darstellt. Hier ist der Aufklärungsbedarf nach wie vor groß. Eberhard Ziegler, Referatsleiter a. D. für Grundlagen des Leistungsrechts bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGVU), Berlin, verwies darauf, dass Haftungsbedenken nicht begründbar seien: „Werden Kinder und Jugendliche von betreuendem Personal bei einer Hilfeleistung verletzt, stellt dies in jedem Fall einen Arbeitsunfall für die Kinder und Jugendlichen dar. Die hilfeleistende Person selbst steht ebenfalls unter Versicherungsschutz, wenn sie sich infolge der Hilfeleistung verletzt. Haftbar ist nur, wer im rechtlichen Sinne vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt, das heißt, die erforderliche Sorgfalt insgesamt in hohem Maße verletzt“. Jede:r ist gesetzlich verpflichtet im Anaphylaxie-Fall im Sinne der Ersthilfe das Zumutbare zu tun, um Schaden vom betroffenen Kind abzuwenden. Hierzu gehört auch die Gabe von Notfallmedikamenten wie Adrenalin aus dem Anaphylaxie-Notfallset. „Notfallsets sind für Laien gemacht, leicht handhabbar und lebensrettend. Die Notfallmedikamentengabe nicht einzusetzen kann gegebenenfalls sogar als unterlassene Hilfeleistung gewertet werden“, so Ziegler.
Infobox: Praktische Hilfe für Kitas und Schulen: Schulungen & Training
- Die Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie Training und Edukation (AGATE e. V.) bietet deutschlandweit ein interdisziplinäres, standardisiertes Anaphylaxie-Schulungsprogramm für Lehrer- und Erzieher:innen, Kinder ab Grundschulalter, Jugendliche und Eltern an. www.anaphylaxieschulung.de
- Deutscher Allergie- und Asthmabund e. V. (DAAB)-Webinare: für Eltern und Betreuer:innen von Kindern mit Nahrungsmittelallergien
und Anaphylaxie-Risiko:
- DAAB-Allergie-Wegweiser: Praktische Hilfe bei der wohnortnahen Suche nach Ärzt:innen beziehungsweise Allergieexpert:innen, Ernährungs- und Hautpflege-Beratung sowie Schulungen. www.allergie-wegweiser.de/
- Anaphylaxie Notfallplan: Hier können Sie wichtige Hilfsmittel für ein effektives Notfall-Management beantragen. www.daab.de/anaphylaxie/wichtige-hilfsmittel
Über Anaphylaxie
Die Anaphylaxie ist eine potenziell lebensbedrohliche systemische allergische Reaktion. Es handelt sich in der Regel um eine Immunglobulin E (IgE)-vermittelte Allergie vom Typ 1 (Soforttyp). Pathophysiologisch kommt es zu einer Freisetzung verschiedener Mediatoren aus Mastzellen und basophilen Granulozyten: unter anderem Histamin, Prostaglandinen, Leukotrienen, Tryptase, plättchen-aktivierender Faktor (PAF), Zytokinen und Chemokinen. Die Auslöser für schwere allergische Reaktionen sind am häufigsten Nahrungsmittel (zum Beispiel Erdnüsse, Baumnüsse, Milch, Eier, Schalentiere), Insektengifte (zum Beispiel durch Bienen- oder Wespenstich) und Medikamente (zum Beispiel Antibiotika oder Schmerzmittel). Die genaue Zahl der Anaphylaxien ist unbekannt. Schätzungen zufolge muss in Deutschland mit ein bis drei Ereignissen je 100.000 Einwohner pro Jahr gerechnet werden. Dabei ist von ein bis drei Todesfällen pro 1 Million Einwohner auszugehen. Patient:innen mit Nahrungsmittel-, Insektengift- und Medikamentenallergie sollten einen Allergologen aufsuchen, der mittels Anamnese, Prick-Test, IgE-Bestimmung im Blut und eventuell mit Provokationstests das Anaphylaxie-Risiko abschätzen kann sowie gegebenenfalls ein Notfallset verordnet. Präventiv kommen die Expositionsprophylaxe und in geeigneten Fällen – bei der Insektengiftallergie – die Hyposensibilisierung in Frage. Zur Therapie der allergischen Reaktion werden je nach Ausprägungsgrad orale Antihistaminika, Glukokortikoide, Beta-2-Sympathomimetika und für die Notfallbehandlung Adrenalin im Autoinjektor (Notfallset) eingesetzt.11
Über Viatris
Viatris Inc. (NASDAQ: VTRS) ist ein global tätiges Gesundheitsunternehmen, das Zugang zu einem einzigartigen Portfolio-Mix aus Original- und generischen Arzneimitteln sowie Medizinprodukten bereitstellt. Durch die Kombination aus Originalen und Generika können wir den weltweiten Gesundheitsbedarf ganzheitlicher decken. Im Sinne unserer Mission, es Menschen weltweit zu ermöglichen, in jeder Lebensphase gesünder zu leben, sorgen wir für einen breiteren Zugang zu Arzneimitteln, indem wir jährlich etwa 1 Milliarde Patient:innen auf der ganzen Welt mit qualitativ hochwertigen Arzneimitteln und Medizinprodukten versorgen und Menschen in allen Lebensphasen begleiten: von der Geburt bis zum Lebensende, von akuten bis zu chronischen Krankheiten. Mit unserem außergewöhnlich umfangreichen und vielfältigen Portfolio, einer beispiellosen globalen Lieferkette, die darauf ausgerichtet ist, mehr Menschen mit Arzneimitteln sowie Medizinprodukten zu versorgen – wann und wo sie diese benötigen – und mit einer fundierten wissenschaftlichen Expertise, um einige der weltweit drängendsten Herausforderungen im Gesundheitsbereich anzugehen, hat das Thema Zugang bei Viatris einen sehr hohen Stellenwert. Wir haben unseren Hauptsitz in den USA und globale Zentralen in Pittsburgh (USA), Shanghai (China) und Hyderabad (Indien). Weitere Informationen finden Sie auf https://www.viatris.com/en und https://investor.viatris.com. Bleiben Sie auch über LinkedIn, Instagram, YouTube und X (vormals Twitter) mit uns in Verbindung.
Zur Viatris-Gruppe Deutschland gehören die Viatris Healthcare GmbH, Viatris Pharma GmbH, Mylan Germany GmbH sowie MEDA Pharma GmbH & Co. KG mit Sitz und Niederlassungen in Troisdorf, Bad Homburg v. d. Höhe sowie Hannover, der Viatris Collaboration Hub Berlin und die Produktionsstätte der Madaus GmbH in Troisdorf. Das Portfolio umfasst in Deutschland mehr als 400 Produkte, darunter Originale und (Marken-) Generika. Sowohl verschreibungspflichtige als auch rezeptfreie Präparate decken ein breites Spektrum an Therapiegebieten ab. Hervorzuheben sind insbesondere Antithrombotika und Impfstoffe (Influenza). Weiterführende Informationen unter: www.viatris.de.
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Bildmaterial
Primäre Abb./Abb. 1: Aufgrund der Zunahme von Nahrungsmittelallergien bei Kindern kommt dem Kita- und Schulpersonal eine besondere Aufgabe von lebensrettenden Erste-Hilfe-Maßnahmen zu.
Druckfähiges Bildmaterial anbei.
Für Rückfragen und weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Pressestelle Viatris-Gruppe Deutschland
+49 (0) 6172 - 888 - 1234
Presse-DE@viatris.com
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1 EAACI Anaphylaxis Awareness Day (Zugriff: November 2024).
2 Worm M et al. (2024). Häufigkeit von Nahrungsmittelallergenen als Auslöser schwerer allergischer Reaktionen – Daten aus dem Anaphylaxie-Register. Deutsches Ärzteblatt International; 121:610–611.
3 Ring J et al. (2021). Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie – Update 2021. Allergo Journal International; 30:20–49.
4 Fachinformationen Fastjekt®/Fastjekt® Junior. Jeweils Stand: August 2024. FASTJEKT® (fachinfo.de)/FASTJEKT® Junior (fachinfo.de)
5 Turner PJ et al. (2020). Global Trends in Anaphylaxis Epidemiology and Clinical Implications. The Journal of Allergy and Clinical Immunology. In Practice; 8(4):1169–1176.
6 Gupta R et al. (2007). Time trends in allergic disorders in the UK. Thorax; 62(1):91–96.
7 Panesar SS et al. (2013). The epidemiology of anaphylaxis in Europe: a systematic review. Allergy – European Journal of Allergy and Clinical Immunology; 68(11):1353–1361.
8 Sousa-Pinto B et al. (2017). Frequency of self-reported drug allergy: A systematic review and meta-analysis with meta-regression. Annals of Allergy, Asthma & Immunology; 119(4):362–373.
9 Network for Online-Registration of Anaphylaxis (NORA). Mehr dazu unter: www.anaphylaxie.net/de/. (Zugriff: Oktober 2024).
10 Deutscher Allergie- und Asthmabund e. V. (DAAB) (2022/2023). Befragung zur Versorgungssituation von Kindern mit Nahrungsmittelallergie und Anaphylaxie-Risiko in Kindertagesstätten und Schulen. Archivdaten.
11 Klimek L et al. (2018). Weißbuch Allergie in Deutschland. Springer Medizin; 4. Auflage: Seiten 101–109.